Montag, 26. Oktober 2015
Bundesregierung verhalten zu Brüsseler Beschlüssen
Berlin/Brüssel (Reuters) - Die Erfolgsaussichten der Brüsseler Beschlüsse zur Eindämmung der Flüchtlingskrise werden auch in der Bundesregierung eher verhalten eingeschätzt.
Entwicklungshilfeminister Gerd Müller warnte am Montag im Südwestrundfunk, die entlang der Balkanroute geplanten 100.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge dürften nicht nur auf dem Papier stehen. Die Koordinierung müsse jetzt am besten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker selbst in die Hand nehmen. Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier wertete die nächtlichen Beschlüsse des Sondergipfels, die zu mehr Ordnung entlang der sogenannten Balkanroute führen sollen, lediglich als ersten Schritt, um die mit der hohen Zuwanderungszahl verbundenen Probleme zu lösen.
An dem Treffen nahmen die Regierungschefs von zehn EU-Staaten und drei Nicht-EU-Ländern des Westbalkans, die EU-Kommission sowie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR teil. Von den 100.000 Plätzen für ankommende Flüchtlinge sollen 50.000 in Griechenland entstehen. Müller warnte davor, dass dem Vorhaben das gleiche Schicksal drohen könnte wie dem Beschluss zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten. Realität sei, dass davon bis heute erst 900 verteilt seien.
Slowenien soll binnen einer Woche 400 Grenzschutzbeamte aus anderen EU-Staaten erhalten. Das Land sieht sich mit einem Ansturm von Flüchtlingen konfrontiert, seit Ungarn seine eigenen Grenzen für Migranten abgeriegelt hat. Sloweniens Ministerpräsident Miro Cerar hat daher vor einem Auseinanderbrechen der EU gewarnt.
Die Teilnehmer des Spitzentreffens verpflichteten sich zudem darauf, die Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen zu beenden. "Flüchtlinge müssen registriert werden. Keine Registrierung, keine Rechte", machte Juncker deutlich. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sicherte zu, bis Jahresende fünf Erstaufnahmezentren (Hotspots) fertigzustellen. Zudem will die EU die Abschiebung von Menschen aus Afghanistan, Pakistan und anderen asiatischen Ländern forcieren.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Beratungen der Regierungschefs als wichtigen Zwischenschritt zur Lösung der Flüchtlingskrise. Altmaier sagte im ZDF, ohne die Abschiebung von Flüchtlingen ohne Bleiberecht lasse sich das Flüchtlingsproblem nicht in den Griff bekommen.
Nach Ansicht des CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach war die Sitzung auf europäischer Ebene nur bedingt erfolgreich. Es müsse eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden: "Wenden wir unser geltendes Asylrecht konsequent an, ja oder nein." Indirekt warf er CDU-Chefin Merkel vor, vom geltenden Recht abgewichen zu sein. Kritik kam auch von Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich. Es müsse jetzt in die Herkunftsländer das Signal gesendet werden, "dass diejenigen, die kein Recht haben, hierherzukommen, sichtbar und rasch abgeschoben werden". Dies sei schon längst fällig, sagte der CSU-Politiker im Deutschlandfunk. "Die Kanzlerin muss jetzt handeln. Dafür ist sie Regierungschefin." Der Zustrom müsse "gebremst oder am besten gestoppt werden".
Friedrich stellte sich zugleich hinter Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer, wonach ohne Handeln die Existenz der CDU und so auch der CSU gefährdet sei. "Ich sehe die dringende Notwendigkeit, dass in der CDU Meinungsbildungsprozesse, die in der Basis stattfinden, auch ankommen in der Spitze", sagte der frühere Innenminister.
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